Islam, Kulturträger in Europa
Wann sprechen wir von Heimat? Wievieler Generationen bedarf es, bevor
wir sagen können, er oder sie ist jemand „von uns“?
Der Islam als Religion ist jedenfalls in Europa seit zumindest 711 nach
Christus, also 1300 Jahre in Europa heimisch, seitdem betrachten
Millionen von Muslimen Europa als ihre geografische und/oder politische
Heimat. 11 von 27 EU-Ländern haben eine Tradition mit dem Islam, die
über Jahrhunderte reicht. In zahlreichen europäischen Ländern, die –
noch – nicht der EU angehören leben ebenfalls größere Populationen
muslimischen Glaubens, ebenfalls seit Jahrhunderten.
Es waren Muslime, die die griechische Kultur und die griechischen
Philosophen, auf deren Ideen das moderne Europa gründet, in die Welt
des Frühmittelalters wieder einbrachten. Muslime haben wunderbare
Architektur geschaffen (man denke nur an die Alhambra in Spanien), aber
auch Alltägliches verdanken wir ihnen, vom Kipferl bis zur Cassata.
Neben den historischen Verdiensten denken wir aber auch an die tägliche
Kulturträgerschaft in unserer heutigen Welt: obwohl der Islam sich
in vielen verschiedenen Gruppierungen definiert und kein oberstes
Interpretationsorgan des „richtigen Glaubens“ existiert, haben die Muslime
in Europa einen modus vivendi gefunden, der dramatische Kämpfe bisher
nicht aufkommen ließ. Vielmehr lebt man in Toleranz miteinander.
Auch die Art und Weise der Erziehung der Kinder und Jugendlichen führt
dazu, dass diese sich in eine Welt integrieren, die ihre Heimat darstellt.
Allerdings leiden natürlich viele unter der Situation, einer Minderheit
anzugehören, die oft nicht ausreichend verstanden wird. Dieses Schicksal
teilen Muslime mit anderen Minoritäten. Hier bedarf es der vermehrten
Kenntnis der „Mehrheitsgesellschaft“ gegenüber den Denkwelten der
Minoritäten.
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9:00 - 9:30 Uhr

ALFRED PRITZ
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