Religiöser Fanatismus als Psychodynamik
Fanatismus, hoch ansteckend, sich selbstzeugend vermehrend, bestehende Weltordnungen
mit brutalem Wahn, oder unheimlich leise verändernd, wird psychodynamischer primär als
Selbstschutzmechanismus bei verletzter Würde interpretiert. Fanatismus sei keine Gestalt,
die man direkt bewältigen, bekämpfen, besiegen und ausrotten könne, sondern sei letzter
Abwehrakt bei existentieller Bedrohung, vor der Selbstopferung.
Nach psychodynamischer Sicht entspringe die zum Fanatismus werdende Lebensenergie
dem tiefsten, bzw. frühesten Sein der menschlichen Psyche und werde vor allem über zwei
konträre psychodynamische Wurzeln entfacht:
1. Menschlicher Fanatismus habe seinen Ursprung im verletzten Selbst; im
ungestillten, „ungetauften“ Narzissmus. Die verletzte Würde fordere als Selbstschutz
narzisstisches Feuer; den verzweifelten, fanatischen Drang das Dunkel des unendlichen
Abgrundes selbst zu erhellen: Brandschatzung, Selbstverbrennung, bzw. Schaffung von
Muttergottheiten.
2. Der Fanatismus finde seinen Keim im unbewussten, unerkannten Ödipuskomplex; dieser
bestimme die Dynamik patriarchaler Weltordnungen. Damit verbunden wachse dort auch
die Ordnung unreflektierter Vaterreligionen, die letztlich grenzenlose, mörderische Rivalität,
bzw. den Opfertod fordern.
Für beide Wurzeln gilt die Frage der Verletzbarkeit der Würde des Menschen als Kultur
bestimmend.
Freud Sigmund (1939) Der Mann Moses und die monotheistische Religion
Leuzinger-Bohleber Marianne, Klumbies Paul-Gerhard (2010): Religion und Fanatismus:
Psychoanalytische und Theologische Zugänge
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